Wall Story Town Bad Vilbel

Die Idee eines Street Art Festivals in Bad Vilbel

Allen Widrigkeiten zum Trotz konnte Bad Vilbel im Krisenjahr 2020 zumindest eines der vielen ursprünglich zum 60. Hessentag geplanten Kunstprojektein die Tat umsetzen: Bad Vilbels erstes internationales StreetartFestival. Die diesjährigen Umstände führten dazu,es erst jetzt stattfinden zu lassen. Der Einfluss der Pandemie führte dazu,besondere Sorgfalt bei der Produktion der Veranstaltung walten zu lassen. Die eingeladen internationalen Künstler konnten nur unter angepassten Sicherheitsmaßnahmeneingeladen werden,umihre Ideen umsetzen. Generell wurdenbei derKonzeptionierung und Durchführung dieser Veranstaltung auf bekannte Muster verzichtet,bzw.war es notwendig diese andie wechselhafte Situationanzupassen.So wurde beispielweise auf Öffentlichkeitsarbeit während der Umsetzungsphase vollständig verzichtet, um Betrachter und Künstler zu schützen. Das führte dazu, dass dieBilder eher zufällig und mit Erstaunenentdeckt wurden,was wiederum zu einererhöhten Neugierde führte und der gesamten Veranstaltung etwas Schleierhaftesgab. Unter der Leitung des Künstlers Case Maclaim, mit bürgerlichem Namen Andreas von Chrzanowski, und Ehefrau Samira fand eine ausgewählte Gruppe namenhafter Vertreter des Kunstgenre Streetart ihren Weg in die Quellstadt und erzählten mit Pinsel und Sprühdose ihre Geschichten auf Häuserfassaden rund um Bad Vilbel. Wie der Name des Festivals „Wall Story Town“schon erahnen lässt, ging es genau darum: Gedanken zu verbildlichen, die vom Ort direkt inspiriert sind, gemalt in der Öffentlichkeit, inspirierend für jeden, der vorbeigeht. Da eine der wenigen Freizeitvergnügen in diesem von Virus und Isolation geprägten Jahr die Bewegung im öffentlichen Raum war,und noch lange seinwird,kam das vom Fachbereich Kultur der Stadt Bad Vilbelinitiierte Projektwohl zum absolut richtigen Zeitpunkt.

Die Werke

Die sieben im Rahmen dieses besonderen Projekts vom 19. bis 31. Oktober entstandenen Kunstwerke sind nun permanenter Bestandteil des Stadtbilds – kleine, poetische Oasen, welche die Gedanken ihrer Betrachter wenigstens für kurze Zeit aus unserer Realität entführen. Inspirationen fanden die Künstler häufig im Element Wasser aber auch der Natur in und um Bad Vilbel bis hin zu den Geschichten der hessischen Gebrüder Grimm. Einer ließ sich vom hektischen Treiben des Bahnhofs inspirieren. So malte der britische Künstler Curtis Hylton in der Bahnhofstraße 45 ein großformatiges Wandbild, auf dem es scheint als sei es zu einer magischen Verschmelzung von Flora und Fauna gekommen.
Auch an der Außenfassade des Schwimmbades in Bad Vilbel ist der Betrachter durch die Arbeiten der in Berlin lebenden Künstlerin Ju Mu Monster aufgefordert, die Verbindung zwischen Mensch, Geistiger Welt und Natur zu erkunden. Ihre heimischen Einflüsse aus der peruanischen und chilenischen Herkunft spielen eine große Rolle, was sich an der Formsprache eindeutig erkennen lässt.
Unweit von Ju Mu´s Kunstwerk, am Sportfeld der Stadt und direkt an dem Fluss Nidda ist die Kunst der spanischen Künstlerin Marina Capdevila zu bewundern. Marina, eine der beliebtesten weiblichen Künstlerinnen der Szene, hat auch das Thema Wasser aufgegriffen. Sie übt dabei Kritik an dem Überkonsum und der Verschmutzung der Umwelt, wie man es von ihr aus anderen Arbeiten bereits gewohnt ist, mit viel Humor. Capdevila hatte außerdem bereits zu Beginn ihrer Karriere der Altersdiskriminierung den Kampf angesagt, warum sich kaum ein Ort besser für Platzierung ihre Bildsprache eignet als die lokale Sportstätte.
Eine andere Form, um gegen Diskriminierung und Vorurteile anzukämpfen, wählte der Schablonen-Künstler Jaune. Der belgische Künstler hat die Fassade, die die Stadtschule
Bad Vilbel von der Baugasse trennt, mit seinen Figuren in sogenannter Stencil-Technik besprüht. Hauptakteure seiner Darstellungen sind Straßenreiniger, also jene systemrelevante Berufsgruppe, die trotz ihrer grell fluoreszierender Kleidung in unserer Gesellschaft viel zu häufig übersehen wird. Den Kuratoren fiel die Auswahl nirgends so einfach, wie bei dieser Wand, da die Geschichte dieser kleinen Superhelden des Alltags jetzt unmittelbar im Umfeld der Schulkinder Bad Vilbels erzählt wird.
Ein weiterer Held aus Kindertagen befindet sich am Gebäude der von Geflüchteten bewohnten Parkstaße Nummer 15. Dort übt Case Maclaim Kritik an der Gesellschaft, bezieht sich dabei aber vor allem auf den Umgang mit den sozialen Medien, der Unterhaltungsindustrie und verweist in seinem Werk „Waldsterben“ auf Ressourcen- und Umweltzerstörung. Die Verbundenheit zum heimischen Wald ist für Case Maclaim, der im Thüringischen Wald aufwuchs, tief. Für die photorealistische Umsetzung seiner Arbeit stand ihm ein Malerkollege in Bad Vilbel Model, nämlich der Künstler Francisco Bosoletti, dessen Portrait einen skeptischen Blick in die Ferne wirft.
Auch der Argentinier Bosoletti hat sich im eigenen Werk am Südbahnhof mit dem Thema Wald auseinandergesetzt. Für seinen unverwechselbaren Stil invertiert er die Farben eines Schwarz-Weiß-Motivs. Es findet also eine Farbumkehr statt. Seine Malereien zwingen den Betrachter den eigenen Blickpunkt zu hinterfragen und seine Sensibilität zu verfeinern und auf andere Wahrnehmungsmodelle als die üblichen und zurückzugreifen.
Die Herausforderung für den australischen Künstler James Reka an seinem Standort, dem Wasserturm, bestand in der Bemalung der alten Backsteinoberfläche. Von der langen Geschichte der Stadt und ihren Wasserquellen fasziniert, entschied er sich für die Farbe Blau und gestaltete so alle vier Seiten des Gebäudes monochrom. Er selbst bezeichnet seinen Stil als ein Paradoxon zwischen scharfem Design und abstrakter Illustration, zusammengehalten aus einer Mischung aus Leidenschaft zur Sprühdose.
Ermöglicht hat das Projekt die Stiftung der Sparkasse Oberhessen mit der Zusage einer Spende in Höhe von 25.000 Euro und obwohl die Zusage für das Kunstprojekt während des Hessentages galt, hat sie daran festgehalten und das verschobene und nun erst zustande gekommene Projekt dennoch finanziert.
Veranstalter des Kunstprojektes ist der Fachbereich Kultur der Stadt Bad Vilbel, die das zum Hessentag ursprünglich geplante Projekt nun umgesetzt hat. Das Stadtmarketing Bad Vilbel e.V. hat das Projekt die ganze Zeit über begleitet und es ist Herrn Liebermeisters langjährigen Kontakt zu Case und seiner Frau zu verdanken, dass wir so hervorragende internationales Künstler an Bord holen konnten.
Der deutsche Sprühdosenhersteller Montana Cans unterstütze Reka und die anderen Künstler gerne als Sponsor für dieses farbenfrohe Highlight Wall Story Town in einem besonders tristen Jahr. Weiterhin hat die Firma Hassia sich für den Wasserturm mit einer Spende beteiligt sowie die Firma Hessol für das gesamte Projekt.

Wall Story Town in Zahlen:
– Zeitraum vom 19. – 31.10.2020
– Verbrauch von 350 Sprühdosen
– 7 Künstler aus 6 Ländern

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